Dubiose Nahrungsmittel-Allergietests

Grummelt der Magen nach jedem Essen, versprechen manche Heilpraktiker eine einfache Lösung: Mit Immuntests wollen sie Allergien und Unverträglichkeiten erkennen. Experten jedoch zweifeln am Nutzen der Tests. Die Patienten werden abgezockt - und sollen oft sinnlos auf viele Lebensmittel verzichten.

Wer nach jedem Essen Durchfall und Blähungen bekommt, sich müde und leistungsschwach fühlt, hegt irgendwann nur noch einen Wunsch: das Problem wieder loszuwerden. Jeder kleine Hinweis auf eine Lösung entfacht Hoffnung. So erging es auch dem damals 25-jährigen Bruno M. Lange Zeit hatte er sich herumgequält, war zum Hausarzt und zum Allergologen gegangen. Wirklich helfen konnten die Ärzte ihm nicht.
Er selbst war fest davon überzeugt, an einer Nahrungsmittelallergie zu leiden. Seine Beschwerden hielt er für die Folge einer überschießenden Reaktion des Immunsystems auf bestimmte Allergene im Essen. Doch die Schulmediziner konnten weder mit einem Hauttest noch mit dem Nachweis eines speziellen Abwehrstoffs des Immunsystems, des Immunglobulins E (IgE), in seinem Blutbild eine Nahrungsmittelallergie feststellen.
Bruno M. war unzufrieden. Die Beschwerden nach dem Essen konnte er deutlich spüren, die Ärzte mussten sich täuschen. Dann erzählte ihm eine Bekannte von einem Naturheilpraktiker, der einen speziellen Allergietest durchführt. Der geplagte junge Mann schöpfte Hoffnung. Dass er mehr als 300 Euro für den Test selbst zahlen musste, nahm er in Kauf. Der Heilpraktiker testete ebenfalls auf einen bestimmten Antikörper - das Immunglobulin G (IgG) - und lieferte die ersehnte Diagnose: Er drückte dem jungen Mann eine Liste mit Lebensmitteln in die Hand, die er fortan meiden sollte.

Nahrungsmittelallergie und Nahrungsmittelunverträglichkeit sind nicht dasselbe

Wie Bruno M. ergeht es vielen. Schätzungsweise jeder fünfte Bundesbürger glaubt, dass er bestimmte Nahrungsmittel nicht verträgt. Tatsächlich leiden allerdings nur zwei bis drei Prozent der erwachsenen Bevölkerung und vier bis sechs Prozent der Kinder an einer Nahrungsmittelallergie. Daneben gibt es viele Menschen mit einer Nahrungsmittelunverträglichkeit - ein aus medizinischer Sicht vollkommen anderes Krankheitsbild.
Während eine Allergie durch eine Abwehrreaktion des Körpers hervorgerufen wird, bei dem das Immunsystem fälschlicherweise auf bestimmte Stoffe im Essen (die Allergene) anspringt, basiert eine Unverträglichkeit auf einem Fehler im Stoffwechsel. Häufig sind wie etwa bei der Fruktose- oder Laktoseunverträglichkeit bestimmte Enzyme defekt oder es mangelt an Transportereiweißen, so dass der Stoff nicht richtig abgebaut werden kann. Das Immunsystem ist an dieser Reaktion nicht beteiligt.

Die häufige Unverträglichkeit kann ein IgG-Test auf Antikörper, wie ihn der Heilpraktiker bei Bruno M. durchführte, demnach nicht erkennen. Das Fatale allerdings ist, dass der Test auch bei Nahrungsmittelallergien keinen Sinn macht. "Eine Soforttyp-Allergie wie eine Nahrungsmittelallergie lässt sich mit einem IgG-Antikörpertest nicht nachweisen", sagt der Dermatologe und Allergologe Harald Renz vom Institut für Laboratoriumsmedizin der Charité in Berlin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allergologie (DGA).

Die Begründung ist einfach: Der Körper reagiert auf fremde Eiweiße stets mit der Bildung von IgG-Antikörpern - sie zählen also zur vollkommen normalen Immunantwort auf Lebensmittel in der Ernährung. "Ein hoher IgG-Wert zeigt keine drohende Nahrungsmittelallergie an", sagt Renz. Aus diesem Grund bezahlen die meisten gesetzlichen Krankenkassen nicht für den Test. Nur bei einigen wenigen Anwendungen wie der Untersuchung auf eine allergische Entzündung der Lungenbläschen oder die Reaktion der Lunge auf Schimmelpilze hilft die IgG-Untersuchung.

Die Diagnostik einer Nahrungsmittelallergie ist langwierig und aufwendig

Im Zusammenhang mit Lebensmitteln sieht Renz beim IgG-Test sogar Risiken. "Der Test untersucht Hunderte Lebensmittel. Der Patient bekommt anschließend eine lange Liste mit all jenen Nahrungsmitteln, die er fortan nicht mehr essen soll. Dadurch kann es zu einem Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen kommen. Insbesondere im Kindes- und Jugendalter darf man das nicht auf die leichte Schulter nehmen." Renz findet es auch nachteilig, wenn "ein Test durchgeführt wird, ohne zuvor die Symptomatik genauer zu betrachten und eine richtige Diagnose zu stellen. Für den Patienten bedeutet das eine verlängerte Leidenszeit."

Die richtige Diagnostik einer Nahrungsmittelallergie ist langwierig und aufwendig. "Das A und O ist das ausführliche Gespräch mit dem Patienten", sagt Renz. Der Betroffene sollte Tagebuch führen und sehr detailliert die Situation und seine Ernährung über den Tag hinweg schildern. Erst dann erfolgen Untersuchungen wie Hauttest und Messung der für die allergische Reaktion mitverantwortlichen IgE. "Bei wiederkehrenden Durchfällen ist es ratsam, eine Darmspiegelung und eine Ultraschalluntersuchung vorzunehmen. Darüber hinaus gibt es einen speziellen Bluttest für die Glutenunverträglichkeit, eine Autoimmunerkrankung, die unter den Bezeichnungen Zöliakie und Sprue bekannt ist", so Renz.

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