Aktive und passive Sterbehilfe: Was heißt das eigentlich?

Eine sachliche Diskussion über dieses sensible Thema ist unter anderem schon deshalb schwierig, weil die juristische Bedeutung der Begriffe oft unklar ist sie deshalb häufig falsch verwendet werden. Eine Umfrage der Bundesärztekammer ergab, dass sogar mehr als 50 Prozent der Ärzte sog. “passive” und “aktive” Sterbehilfe verwechseln. Wir definieren deshalb nachfolgend die wichtigsten Begriffe:

1) Aktive Sterbehilfe

Bei der aktiven Sterbehilfe verabreicht jemand einem Patienten ein unmittelbar tödlich wirkendes Mittel. Der Patient nimmt es also nicht selbst zu sich (das ist der Unterschied zum assistierten Suizid), sondern es wird dem Patienten von außen “aktiv” zugeführt. Wer aktive Sterbehilfe betreibt setzt also bewusst und vorsätzlich einen neuen Kausalverlauf in Gang, der unmittelbar und kurzfristig zum Tod führen soll.

Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland ausnahmslos verboten, wie fast weltweit (Ausnahmen gelten in einigen Benelux-Staaten und im US-Bundesstaat Oregon, allerdings unter strengen Auflagen). Sie ist mindestens als sog. “Tötung auf Verlangen” strafbar (§ 216 Abs. 1 StGB: “Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen”). War der Patient erkennbar unzurechnungsfähig, depressiv oder unter äzßerem Druck, so bestehen Zweifel am “ernstlichen Verlangen”. In diesem Fall ist sogar eine Verurteilung wegen Totschlags denkbar (§ 212 StGB).

2) Passive Sterbehilfe

Unter passiver Sterbehilfe versteht man den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen oder deren Beendigung, entweder weil sie (in der unmittelbaren Sterbephase) medizinisch nicht mehr indiziert sind oder weil der Patient solche Maßnahmen ablehnt. Im Unterschied zur aktiven Sterbehilfe wird hier also kein neuer Kausalverlauf (durch Gabe eines tötenden Mittels) gesetzt, sondern man lässt vielmehr nur den natürlichen Sterbeprozess geschehen.

Fall der Betroffene aktuell nicht mehr einwilligungsfähig ist, kommt es auf seinen früher geäußerten Willen (Patientenverfügung) an. Fehlt eine solche, muss der mutmaßliche Wille festgestellt werden. In solchen Fällen entscheidet der Vorsorgebevollmächtigte bzw. (falls der Patient keinen Bevollmächtigten benannt hat) der gerichtlich bestellte Betreuer; ggf. benötigt dieser für die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen die Zustimmung des Vormundschaftsgerichts.

Die passive Sterbehilfe ist also der Anwendungsbereich für Patientenverfügungen. Selbstverständlich ist passive Sterbehilfe nicht strafbar, sondern Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Das häufigste Mißverständnis ist, dass Ärzte eine zulässige passive Sterbehilfe für strafbare aktive Sterbehilfe halten. Grund: Auch die passive Sterbehilfe ist oft mit einer Handlung verbunden, z.B. Abschalten des Beatmungsgerätes oder Entfernen des Ernährungssonde. Der Arzt denkt also (irrtümlich): Ich tue etwas und der Patient verstirbt, ergo “aktive Sterbehilfe”. In Wirklichkeit kommt es aber – wie oben erläutert – darauf an, ob der Patient am Verlauf seiner Erkrankung stirbt, der nun nicht länger durch Apparatemedizin aufgehalten wird (dann erlaubte passive Sterbehilfe) oder ob durch Gabe tödlich wirkender Präparate eine neue Ursache gesetzt wird (dann strafbare aktive Sterbehilfe).

Die Ärzteschaft spricht dennoch ungern von passiver Sterbehilfe, sondern bevorzugt den Begriff Sterbebegleitung (vgl.PDF Datei: “Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung”).

3) Assistierter Suizid (Beihilfe zum Freitod)

Die Aktivitäten von Organisationen wie “Dignitas” oder “Roger Kusch Sterbehilfe e.V.” fallen weder in die Kategorie passive, noch aktive Sterbehilfe (obwohl sie meistens unter diesen Begriffen diskutiert werden). Vielmehr handelt es sich hier um eine Beihilfe zur autonomen Selbsttötung des Patienten. Dem Betroffenen wird ein Mittel nicht aktiv verabreicht, sondern “nur” zur Verfügung gestellt, der Patient nimmt dies aber selbst ein. Da die Selbsttötung in Deutschland nicht strafbar ist, macht sich auch der Beihelfer nicht strafbar. Die Bundesärztekammer hat sich aber eindeutig positioniert und erklärt, dass die Beihilfe zum Freitod gegen das ärztliche Ethos verstößt. Ärzten ist also in Deutschland die Beihilfe zur Selbsttötung durch die Berufsordnung verboten.

Kritisiert wird an der Beihilfe zum Freitod, dass der Sterbewunsch oft Ausdruck einer vom Patienten empfundenen Ausweglosigkeit ist und bei optimaler palliativmedizinischer Versorgung der Patient diesen Weg nicht gehen wollen würde. Ferner besteht die Gefahr, dass durch eine steigende gesellschaftliche Akzeptanz des assistierten Freitods schleichend eine Stimmung entsteht, in der von todkranken Menschen dann irgendwann einmal fast schon erwartet wird, diesen Weg zu gehen. Äußerst fragwürdig ist es schließlich, wenn – wie von Roger Kusch – das Thema kommerzialisiert wird und zur Befriedigung persönlicher Eitelkeiten dient.

4) Indirekte Sterbehilfe

Nur zur Vollständigkeit ein Wort zu dieser eigentlich überflüssigen, jedenfalls unglücklich bezeichneten Kategorie: Als “indirekte Sterbehilfe” wurden bis vor einiger Zeit noch manche palliativmedizinischen Maßnahmen bezeichnet, also insbesondere die Gabe schmerzlindernder Medikamente mit möglicherweise lebensverkürzenden Nebenwirkungen. Der Begriff trifft jedoch in doppelter Hinsicht nicht zu: Zum einen besteht die Intention des Arztes hier in der Linderung von Beschwerden des Patienten, ist also nicht auf den Tod gerichtet. Zum anderen bestätigen medizinische Untersuchungen, dass palliativmedizinische Maßnahmen die letzte Lebensphase eher verlängern.

Ihr Palliativmediziner